Sehbehinderung hat viele GesichterPhoto by Ryoji Iwata on Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Bis zu 100'000 Sehbehinderte in der Schweiz
  • Nach dem 70. Altersjahr nimmt die Häufigkeit von Sehschädigungen markant zu
  • Jede dritte Erblindung wäre durch Früherkennung zu verhindern

Unterschiedlichen Definitionen

Matthias Bütikofer – Geschäftsführer Schweizerischer Zentralverein für Blindenwesen bringt es folgendermassen auf den Punkt: „Sehbehinderung hat viele Gesichter. Sie bedeutet je nach Lebenssituation und Alter eine grosse Herausforderung in der Lebensführung betroffener Menschen. Bisher ging der Schweizerische Zentralverein für Blindenwesen von schätzungsweise bis zu 100’000 blinden und sehbehinderten Personen in der Schweiz aus. Die neuen Untersuchungen – sie berücksichtigen alle vorliegenden schweizerischen Statistiken und ziehen auch Studien aus dem Ausland bei – legen den Schluss nahe, dass die Zahl der betroffenen Personen drei bis viermal so hoch liegt, als wir ursprünglich angenommen haben!“

Statistisch ist in der Schweiz nicht erfasst, wie viele blinde und sehbehinderte Menschen es gibt. Dies hat sowohl rechtliche als auch praktische Gründe, ist aber auch auf die unterschiedlichen Definitionen von Blindheit zurückzuführen. Man geht neuerdings davon aus, das 325’000 Menschen in der Schweiz sehbehindert sind, wobei 10’000 davon absolut blind sein dürften.

Absolute Blindheit bedeutet, es ist alles dunkel. Der Betreffende sieht gar nichts, er erkennt nicht einmal, ob es Tag oder Nacht ist. Alle anderen sind in unterschiedlichem Masse sehbehindert. 

In Deutschland gilt zum Beispiel als Blindheit im Sinne des Gesetzes und damit verbunden der Anspruch auf Blindengeld: Blindheit im Sinne des Gesetzes bezeichnet eine der absoluten Blindheit gleichzusetzende Einschränkung des Sehens, welche die Orientierung in fremder Umgebung stark erschwert bis unmöglich macht. In Zahlen ausgedrückt heisst dies, dass der Betreffende auf dem besseren Auge weniger als 1/50 sieht. Was bedeutet, dass ein Wort, das ein gut sehender Mensch auf 50 Metern (also z.B. ein Strassenschild) noch lesen kann, der Betreffende nicht einmal auf 1 Meter Entfernung lesen kann. Dies entspricht, wenn auch mathematisch nicht ganz korrekt, einem Sehvermögen von unter 2% eines Normalsichtigen. In der Fachsprache wird es als Visus 0,02 bezeichnet.

Hat der Betreffende zwar ein besseres Sehvermögen, aber er sieht nicht alles im gesamten Sichtfeld (sogenannte Gesichtsfeldausfälle), kann dieser ebenfalls Schwierigkeiten in der Orientierung haben und somit blind im Sinne des Gesetzes sein.

In der Schweiz gibt es keine klare Definition für eine leichte oder schwere Sehbehinderung bzw. für Blindheit. Unabhängig vom vorhandenen Sehpotenzial kann nämlich der persönliche Umgang mit einer Sehbehinderung sehr unterschiedlich sein. Das Alter, Unterstützungsangebote, die Anpassung der Umwelt auf eigene Bedürfnisse, die eigene Persönlichkeit, vorhandene oder nicht vorhandene Seh-Erinnerungen und Vorkenntnisse bewirken, dass jede Person ihre Sehbehinderung in jeder Lebenssituation neu und auf eigene Art erlebt.

Die Statistiken der Sozialversicherungen beziehen sich demnach auch nur auf die Anzahl bezogener finanzieller Leistungen einer bestimmten Art, wie die Anzahl bewilligter IV-Renten oder Hilflosenentschädigungen, die Anzahl bewilligter weisser Stöcke etc. Die Invalidenversicherung definiert Behinderung im Kreisschreiben über die Beiträge an Organisationen der privaten Behindertenhilfe folgendermassen: „Als Behinderte im Sinne von Art. 74 IVG gelten Personen, die in den letzten zehn Jahren eine individuelle IV-Leistung (medizinische Massnahmen, Abgabe von Hilfsmitteln, Früherfassung und Frühintervention, Integrationsmassnahmen, Massnahmen beruflicher Art, Taggelder als akzessorische Leistung, Invalidenrenten, Hilflosenentschädigungen) oder eine von einer zuständigen kantonalen Behörde angeordnete sonderpädagogische Massnahme (…) bezogen haben.“

Diese Zahl ist deshalb nicht ausreichend, um abzumessen, wie viele Menschen in der Schweiz stark eingeschränkt durch ihre verminderte Sehleistung sind. Die Rentenstatistik der IV zeigt nur einen kleinen Teil der Realität, denn viele sehgeschädigte Menschen haben keinen Anspruch auf eine IV-Rente oder stellen keinen Antrag. Die IV-Renten werden vorwiegend Menschen zugesprochen, die im erwerbsfähigen Alter ganz oder fast vollständig erblinden. Und sie behalten ihren Anspruch auf IV nicht mehr, wenn sie einer Arbeit nachgehen und eine gewisse Einkommensschwelle überschreiten. Sie fallen somit aus der Statistik. Ebenso sind alte Menschen aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit und dem IV-Anspruch  nicht in der Statistik erfasst. So bleibt die Schätzung von 10’000 blinden Personen in der Schweiz.

Woher kommen die Sehbehinderungen?

Im Erwachsenenalter verursachen Erkrankungen und Unfälle am häufigsten eine Sehschädigung. In der vierten Lebensdekade sind gegen zwei, in der siebten Dekade bereits etwa sieben von hundert Personen sehbehindert. Sie macht sich gemäss der üblichen Umfrage daran fest, dass diese Personen selbst mit einer Brille die Zeitung oder ein Buch nicht mehr Lesen können.

Nach dem 70igsten Altersjahr nimmt die Häufigkeit von Sehschädigungen markant zu: In der neunten Lebensdekade nimmt die Sehleistung auf Grund des Alterungsprozesses bei allen Personen ab – bei vielen von ihnen so stark, dass trotz Brillen und Kontaktlinsen etwa Zeitungslesen, Erkennen von Gesichtern oder Orientierung in einer neuen Umgebung nicht mehr möglich sind. Zusätzlich treten vermehrt Krankheiten der Sinnesorgane auf. Mit 70 Jahre haben bereits über zehn Prozent der Personen optische und medizinisch nicht mehr ausgleichbare Sehprobleme und spüren deren Auswirkungen im Alltag. Schliesslich ist etwa jede sechste Person über achtzig Jahre und fast die Hälfte der über Neunzigjährigen in ihren Sehfunktionen deutlich und dauerhaft eingeschränkt.

Was sind die Ursachen von Blindheit ?

Weltweit betrachtet sind unbehandelte graue Stare und durch Brillen korrigierbare Sehfehler die Ursache von 110 Millionen Fällen von Blindheit und Sehbehinderung. Gefolgt werden sie von unterernährungsbedingtem Vitamin-A-Mangel und infektionsbedingten Krankheiten wie Trachom und Onchozerkose (Flussblindheit). Die letzteren werden durch Insekten übertragen und wären preiswert medikamentös behandelbar (nähere Informationen unter Christoffel-Blindenmission).

All diese Krankheiten spielen in den westlichen Industrieländern wohlstandsbedingt (operative und medikamentöse Versorgung) nur eine untergeordnete Rolle. Hier sind die Makulopathie (50%), das Glaukom (18%), und der Diabetes (17%) als Ursache führend. Vor allem die letzteren beiden wären durch Vorbeugung in ihrer Häufigkeit deutlich reduzierbar. Weitere häufigere Gründe sind der graue Star (5%), Hornhauttrübungen (3%) und absterbende Sehnerven (Optikusatrophie). Jeder 3. Erblindung wäre durch Früherkennung zu verhindern, so das Fazit von Experten.

Keine echte Blindheit, sondern ein vorübergehend fehlendes Sehen durch einen schmerzbedingten Lidkrampf entsteht durch die Verblitzung (Schweißbrand) den “Sonnenbrand” der Hornhaut (Schneeblindheit) oder auch eine Hornhautverletzung (Erosio cornae).

Nutzen Sie zur Früherkennung die Dienstleistungen Ihres Gesundheitsoptikers!

Quelle: Sehbehinderung und Blindheit: Entwicklung in der Schweiz Eine Publikation zur Frage: „Wie viele sehbehinderte, blinde und hörsehbehinderte Menschen gibt es in der Schweiz?“ von Stefan Spring, lic. phil. und MAS Gerontologie, Forschungsbeauftragter des SZB, Zürich

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